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Gottes Begrenzungen
von Leid –
Auszüge aus dem gleichnamigen Buch
von Rüdiger Halder
„So lauten nun die zwei wesent- und allein auf das Leid, das uns in Zurückhaltung ist geboten:
lichen christlichen Argumente einer Situation begegnet. Vielmehr „Diese beiden Gedanken erachte
auf die Frage, wie Gottes Güte handeln wir, antworten oder beglei- ich in Diskussionen über die Sinn-
und Allmacht angesichts des ten wir Menschen im Leid aus un- frage auf der vernünftigen Ebene
Leids dieser Welt zu rechtferti- seren Überzeugungen heraus.“ als wichtige Hilfestellung, wobei sie
gen sind: durch die Bedeutung natürlich nicht als zwingende oder
der Willensfreiheit und durch Gegen Ende des Buche auf S.73f: allgemein gültige und zutreffende
das Kreuz Christi.“ (S.72) An dieser Stelle angekommen Rechtfertigungen einzusetzen sind,
könnten wir nun sagen, dass die warum Gott Leid (grundsätzlich
In der Einleitung lesen wir auf Frage nach dem Sinn von Leid mü- und im konkreten Fall) nicht stär-
S.10 f: ßig sei, da wir Gott weder als Ur- ker begrenzt. Zu viel liegt im Nicht-
„Wenn wir nämlich leidvolle Erfah- heber von Leid bezeichnen können, wissen, zu individuell sind die ein-
rungen in Verbindung mit Gott be- noch ihn für den Sündenfall schul- zelnen Situationen von Leid, …“
trachten, dann wird unsere Beurtei- dig sprechen können. Folglich brau- (S.74)
lung einer Situation sehr viel damit chen wir, …Gott auch nicht mehr
zu tun haben, welches Gottesbild zu rechtfertigen, indem wir seinem Rüdiger Halder, Gottes Begrenzung
wir haben. Aus vielen Gesprächen Handeln einen vernünftigen Sinn von Leid. Eine etwas andere Perspek-
über Leid – ob mit Christen oder geben, denn seine Gerechtigkeit tive. IGNIS-Edition: Kitzingen 2008
Nichtchristen – kamen mir recht und Güte werden durch das Leid
unterschiedliche Ansichten entge- nicht in Frage gestellt. Doch auch
gen. Manche dachten, dass Gott die unter der Voraussetzung, dass Leid
Erde zwar geschaffen, sie aber dann durch die Sünde in das Leben der
sich selbst überlassen hat. Einige Menschen gekommen ist, bleibt
dachten, dass Gott Leid verursacht, die Sinnfrage von Bedeutung. Auch
um Menschen zu strafen. Vielfach wenn wir einsehen, dass Gott die
wurde Gott als Despot oder Tyrann Sünde aufgrund der Willensfreiheit
gesehen, der offensichtlich Spaß nicht verhindern oder gar wegneh-
dran hat, wenn Menschen leiden. men kann, auch wenn wir dankbar
Andere dachten wiederum, Gott anerkennen, dass er das nachfol-
schickt dem Menschen Leid, um gende Leid begrenzt, werden wir
ihm etwas zu verstehen zu geben, in manchen konkreten Situationen
mit der Absicht, ihn zu erziehen fragen: Warum begrenzt er hier die
oder ihm schlicht und einfach sei- Folgen der Sünde nicht wenigstens
nen Willen aufzuzwingen. Wie im etwas mehr? Oder warum beseitigt
weiteren Verlauf dieses Buches dem er sie in diesem schrecklichen Fall
ein oder anderen vielleicht noch nicht durch ein Wunder ganz? ...
deutlich werden wird, hat unser Ich denke, dass Leiderfahrungen
Gottesbild – also unser grundsätzli- uns einerseits zur Erkenntnis des
ches Denken über Gott – letztlich wahren Charakters von Sünde ver-
Einfluss auf unser Verhalten und auf helfen, und dass wir außerdem im
den Umgang mit leidvollen Situati- Leid die Echtheit von Liebe erken-
onen. Wir reagieren nicht spontan nen können…
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