Page 19 - Gehaltvoll 4.2
P. 19

auch in „Ärger"-Situationen?



       Peter ist zornig. Schon wieder Är-
       ger mit den Eltern, dieses Mal am
       Essenstisch! Wieder haben sie ihn
       mit  wütender  Stimme  auf  sein
       Zimmer geschickt. Dort ist er ge-
       rade dabei, alles durcheinander
       zu werfen. Wie so oft schon. Das
       dauert  bis  heute  Abend.  Dann
       gibt es wegen der Unordnung neu-
       en Ärger. Das kennt er schon. Er
       ist wütend, wütend auf die Eltern
       - und wütend auf sich. Er wollte
       sich doch zusammenreißen! Aber
       warum muss man unbedingt Sa-          reagieren?
       lat essen? Das versteht er nicht, wo   Diese Fol-
       der doch so furchtbar schmeckt.       gereaktionen
                                             erleben    Eltern
       Mit einer ähnlichen Situation, mit    meist  als  „böse“  und
       Variationen oder anderen Inhalten,    unangemessen und kaum
       sind manche Eltern immer wieder       als Ausdruck von inneren Ab-
       konfrontiert. Vielleicht  überrascht   lehnungsgefühlen, von Lebensbe-
       es sie, dass Peter in dieser Situation   drohung oder Lebensschwäche, die
       eines braucht und das so früh wie     durch solche Grenzsetzungen beim    sagen dem Kind oft, es sei böse, und
       möglich: Trost.                       Kind ausgelöst werden.              untergraben damit ihre eigenen Be-
                                             Trösten heißt an dieser Stelle, dem   mühungen, dem Kind Grenzen zu
       Normalerweise meint man, braucht      Kind in seinen Folgereaktionen bei-  vermitteln. Außerdem schüren sie
       ein Kind Trost, wenn es sich das      zustehen, indem ich nicht strafend   sowohl den Hass des Kindes auf sie
       Knie aufschlägt, wenn sein aus Bau-   reagiere, sondern dafür Raum lasse,   als auch ihren eigenen Ärger auf das
       steinen mühsam gebauter Turm in       weil ich weiß, dass das Kind diese   Kind." (Parens, Henri: Kindliche
       sich zusammenfällt oder das Meer-     Grenzerfahrung zumindest bis jetzt   Aggressionen.  Kösel:  München,
       schweinchen gestorben ist – und       nicht anders bewältigen kann.       1995)
       das ist selbstverständlich richtig und     Peter fällt sein Turm immer wie-  Hinzufügen möchte ich noch,
       kein Kind sollte mit diesen Schmer-   der um. Wütend schleudert er einen   dass das Kind, wenn wir es alleine
       zen, dieser Art von Leid oder Trauer   Baustein in die Ecke.              lassen, auch seinen Hass auf sich
       alleine bleiben, weil niemand da ist,     Anne will unbedingt noch den    selbst verinnerlicht in ein negatives
       der es in seiner Not sieht oder den   Zeichentrickfilm sehen, nur ganz    Selbstbild: "Ich habe es wieder nicht
       der Kummer des Kindes anrührt.        kurz, sagt sie. Als die Mutter nein   geschafft, wie schlecht, wie böse bin
                                             sagt, rennt sie raus und schmeißt   ich doch..."
       Doch wie ist es in Situationen, in de-  laut die Tür zu.
       nen Kindern etwas nicht erlaubt oder                                      Wie können wir uns die Essens-
       verboten wird, sie nicht bekommen,    Wenn Eltern in diesen Situationen   szene von vorhin anders vor-
       was sie wünschen oder erwarten,       den inneren Konflikt des Kindes     stellen?
       kurz, wenn ihnen Grenzen gesetzt      nicht wahrnehmen und bereit sind,
       werden und sie darauf mit Schrei-     tröstend beizustehen „... wiederho-
       en,  mit  Trotz,  mit  Verweigerung   len sie ihr Verbot meistens verärgert,



                                                                                                                     19
   14   15   16   17   18   19   20   21   22   23   24