Page 46 - Gehaltvoll 4.2
P. 46

halten: Trösten ist unverzichtbar
        Nicht so










        einfach










        mit den










        Tränen.













        „Freut euch mit denen, die            Bei einem Weinen aus hochgradi-   Immerhin gaben 16 % der Befrag-
        sich freuen; weint mit denen,       gem Selbstmitleid sollte man nicht   ten an, das letzte Mal geweint zu
        die weinen.“ (Römer 12, 15)         auf das Weinen reagieren, sondern   haben, weil sie Leid mitansehen
                                            am Thema bleiben.                   mussten. Sie haben also quasi mit-
        Tränen scheinen keine für den Wei-    Bei einem sentimentalen Weinen    geweint .
                                                                                       3
        nenden direkt hilfreiche  Wirkung   gilt es, mehr verstehen zu wollen,   Sollten wir beim Trösten eventuell
        zu haben, so ein überraschendes     was den Ratsuchenden bewegt.        auch mitweinen?
        Ergebnis der Forschung zum Wei-       Bei einem mehr hilflosen Weinen
        nen. Erst wenn eine zweite Person   bietet sich die zugrundeliegende    „Das kann passieren, aber von Sol-
        hinzukommt und sich verständnis-    Hoffnungslosigkeit als Thema an.    len und nicht Sollen würde ich da
        voll zeigt, dann lindert es das Leid    Bei einem „Immer-weinen-Müs-    nicht reden!“ (Sybille)
        und kann emotionale Spannungen      sen“ gilt es, die Selbstkontrolle über
        abbauen .                           die Tränen zu thematisieren.         „Wenn ich emotional berührt wer-
                1
        Wenn jemand weint, verstehen wir      Bei einem wirklich betroffenen    de, kann ich mitweinen... Empathie
        das meistens als Signal, unsere Akti-  Weinen wird man mit ergriffen und   äußert sich auch darin...“ (Detlev)
        vitäten zurückzuhalten und uns un-  gibt dem eigenen Mitschwingen,
        terstützend zuzuwenden, zu trösten.  Mitfühlen und Mitleiden einen      1) Nach A. Vingerhoets (2009) Weinen. Modell des bio-
                                            Raum.                               psychosozialen Phänomens und gegenwärtiger Forschungs-
                                                                                stand, in: Regina Bäumer. Michael Plattig (Hg): Die Gabe
        In der Seelsorge, Beratung oder Psy-                                    der Tränen. Geistliche und psychologische Aspekte des Wei-
        chotherapie Erfahrene lernen mit    Nach einer Befragung von Studenten   nens. Grünewald: Ostfildern 2010.
        den Jahren, im Umgang mit Tränen    aus über 35 Ländern gaben Männer    2) Eigene Gedanken, inspiriert von Christiane Geiser: End-
        verschiedene Arten von Weinen zu    als Grund, wann sie das letzte Mal ge-  lich weinen können! – Immer weinen müssen! Über die
        unterscheiden und je nachdem ihre   weint hatten, am meisten die Erfah-  Vielfalt therapeutischer Tränen. In: Regina Bäumer. Michael
        Reaktionen im Interesse des Ratsu-  rung eines Verlustes an, Frauen Ausei-  Plattig (Hg): Die Gabe der Tränen. Geistliche und psycho-
                                                                                logische Aspekte des Weinens. Grünewald: Ostfildern 2010.
        chenden zu gestalten .              nandersetzungen bzw. Konflikte.     3) Nach A. Vingerhoets (2009) a.a.O.
                           2


  46
   41   42   43   44   45   46   47   48   49   50   51